Fehler im System – Kommentar zu den Enthüllungen von Team Wallraff

In der RTL-Sendung "Team Wallraff - Reporter undercover" (online ansehen) wurde aufgedeckt, dass in verschieden Wohnheimen und Werkstätten der Lebenshilfe behinderte Menschen überaus unwürdig behandelt werden. Nun wird viel diskutiert: Wer ist verantwortlich? Handelt es sich um Einzelfälle oder gibt es solche Vorfälle öfter? Ist es ein Problem der Lebenshilfe oder gibt es derartiges auch in anderen Einrichtungen der Behindertenhilfe? Viele Pflegekräfte pochen verständlicherweise darauf, nicht über einen Kamm geschert zu werden.
Meiner bescheidenen Meinung nach liegt der Fehler im System. Wohnheime und Werkstätten, in denen alle Beteiligten entweder „Betreuende“ oder „Betreute“ sind, bergen das Risiko, dass dieses Machtverhältnis ausgenutzt wird. Vielen „Betreuten“ in solchen Sondersystemen fällt es schwer, ihre eigenen Rechte einzufordern, gerade wenn sie ihre Rolle nach einer Weile verinnerlicht haben. Dass viele Bewohner*innen von Wohnheimen zufrieden sind, liegt zweifellos auch daran, dass die meisten Betreuer*innen ihre Arbeit mit voller Leidenschaft und Sensibilität machen.
Um solche Vorfälle aber wirklich abzuwenden, braucht es mehr Selbstbestimmung der behinderten Menschen bei der Wahl ihres Wohnumfelds. Sie müssen mitbestimmen können, wie sie wohnen, mit wem sie zusammenwohnen und von wem sie unterstützt werden. Dabei braucht es vor allem mehr Wohnangebote, in denen Menschen mit und ohne Behinderung zusammen leben.
In allen inklusiven WGs, die ich bisher besucht habe sowie in meiner eigenen, habe ich ein freundschaftliches Zusammenleben auf Augenhöhe erlebt. Selbst wenn die nicht-behinderten Mitbewohner*innen betreuende Aufgaben übernehmen, steht immer die freundschaftliche Beziehung im Vordergrund - man ist als behinderter Mensch nicht nur "Betreute*r", sondern vor allem Mensch.
Durch das inklusive Zusammenleben gibt es zudem eine „natürliche Qualitätssicherung“. Denn würde ich mitbekommen, wie einer meiner behinderten Mitbewohner*innen unwürdig behandelt wird, würde ich einschreiten und ihn dabei unterstützen seine Rechte einzufordern.
Deshalb motivieren und unterstützen wir behinderte Menschen dabei, gemeinsam mit nicht-behinderten Menschen eine WG zu gründen. Sie sollen dabei selbst entscheiden, wie groß die WG ist, wie die Unterstützung organisiert wird und mit wem sie zusammenwohnen. Wir zeigen nur die Möglichkeiten auf und unterstützen sie dabei diese umzusetzen.
Gleich morgen referiere ich darüber bei einem Arbeitskreis der Lebenshilfe. Ich hoffe, wir können so gemeinsam Steine ins Rollen bringen, hin zu einer inklusiveren Gesellschaft ohne Vorfälle wie die, die gestern offenbart wurden.
Euer Tobi
Der Kommentar wurde zunächst auf Facebook veröffentlicht (zum Original).
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Meiner bescheidenen Meinung nach liegt der Fehler im System. Wohnheime und Werkstätten, in denen alle Beteiligten entweder „Betreuende“ oder „Betreute“ sind, bergen das Risiko, dass dieses Machtverhältnis ausgenutzt wird. Vielen „Betreuten“ in solchen Sondersystemen fällt es schwer, ihre eigenen Rechte einzufordern, gerade wenn sie ihre Rolle nach einer Weile verinnerlicht haben. Dass viele Bewohner*innen von Wohnheimen zufrieden sind, liegt zweifellos auch daran, dass die meisten Betreuer*innen ihre Arbeit mit voller Leidenschaft und Sensibilität machen.
Um solche Vorfälle aber wirklich abzuwenden, braucht es mehr Selbstbestimmung der behinderten Menschen bei der Wahl ihres Wohnumfelds. Sie müssen mitbestimmen können, wie sie wohnen, mit wem sie zusammenwohnen und von wem sie unterstützt werden. Dabei braucht es vor allem mehr Wohnangebote, in denen Menschen mit und ohne Behinderung zusammen leben.
In allen inklusiven WGs, die ich bisher besucht habe sowie in meiner eigenen, habe ich ein freundschaftliches Zusammenleben auf Augenhöhe erlebt. Selbst wenn die nicht-behinderten Mitbewohner*innen betreuende Aufgaben übernehmen, steht immer die freundschaftliche Beziehung im Vordergrund - man ist als behinderter Mensch nicht nur "Betreute*r", sondern vor allem Mensch.
Durch das inklusive Zusammenleben gibt es zudem eine „natürliche Qualitätssicherung“. Denn würde ich mitbekommen, wie einer meiner behinderten Mitbewohner*innen unwürdig behandelt wird, würde ich einschreiten und ihn dabei unterstützen seine Rechte einzufordern.
Deshalb motivieren und unterstützen wir behinderte Menschen dabei, gemeinsam mit nicht-behinderten Menschen eine WG zu gründen. Sie sollen dabei selbst entscheiden, wie groß die WG ist, wie die Unterstützung organisiert wird und mit wem sie zusammenwohnen. Wir zeigen nur die Möglichkeiten auf und unterstützen sie dabei diese umzusetzen.
Gleich morgen referiere ich darüber bei einem Arbeitskreis der Lebenshilfe. Ich hoffe, wir können so gemeinsam Steine ins Rollen bringen, hin zu einer inklusiveren Gesellschaft ohne Vorfälle wie die, die gestern offenbart wurden.
Euer Tobi
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